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Film: Das System Milch – wie unser Agrarsystem Mensch und Tier ausbeutet

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Der neue Dokumentarfilm „Das System Milch“ von Andreas Pichler zeigt eindrucksvoll, wie unser Agrarsystem aus dem Ruder läuft. Die europäische Milchindustrie versucht immer neue Märkte zu erobern. Milchbauern werden immer stärker unter Druck gesetzt. Und Kühe werden zu Hochleistungsmaschinen degradiert, die nur einen Wert haben, solange sie Jahr für Jahr ein Kalb gebären. Das auf Export getrimmte System beutet Umwelt, Tiere und Menschen aus und trägt zu Fluchtursachen bei – dennoch wird Jahr für Jahr mehr produziert. Ein Alternativmodell bietet der Film zwar nicht, skizziert aber hoffnungsvolle Beispiele.

„Die Chinesen saufen uns leer“ – diesen Satz hat Milchbauer Martin Geiger oft gehört. Immer wieder wurde er den Landwirten von Fachberatern und Bauernverband eingebläut. Immer größer und produktiver sollten sie werden, immer weiter wachsen, immer mehr Milch aus jeder Kuh pressen, um die zukünftig riesige Nachfrage aus China zu versorgen. Doch dann kam alles anders.

 

Zwar produzieren die auf Wachstum getrimmten Landwirte tatsächlich immer mehr – doch der Weltmarkt hat nicht auf die europäische Milch gewartet. China hat in einem rasanten Tempo eine eigene Milchindustrie aufgebaut. In Mudanjiang entstand der größte Milchviehbetrieb der Welt mit über 100.000 Kühen nach modernster europäischer Technik. Der heimische Markt soll weitestgehend mit eigener Milch aus China versorgt werden.

Die europäischen Überschüsse finden keine Abnehmer und drücken auf den Preis. 40 Cent bräuchte man pro Kilo Milch, um kostendeckend zu arbeiten und nicht auf EU-Subventionen angewiesen zu sein. Doch der Milchpreis fiel in den letzten Jahren sogar auf unter 20 Cent. „Da fragt man sich schon, ob das System so richtig ist“, sagt auch der dänische Großbauer Peder Mouritsen.

Also wohin mit dem Überangebot? Im Senegal haben die heimischen Milchbauern Schwierigkeiten, mit dem günstig importierten Milchpulver aus Europa zu konkurrieren. Sie müssen reihenweise aufgeben, ihre Kinder verlieren die Perspektive. Auf der Suche nach Arbeit und Einkommen fliehen sie vom Land in die Städte, einige machen sich auf den Weg nach Europa. Diese Kausalkette unserer wachstumsorientierten Exportwirtschaft und den Migrationsbewegungen aus ärmeren Ländern verdeutlicht im Film ein senegalesischer Milchverarbeiter.

Da ist es erschreckend, wie von der Ernährungsindustrie immer die gleiche Leier abgespielt wird: „Wir müssen die Welt ernähren“ heißt es auch auf dem Weltmolkereikongress von allen Seiten. Das dabei sogar Molkereiriesen im System gefangen sind, scheint dort niemand zu stören. „Sobald wir nicht mehr wachsen, haben wir ein Problem“, meint der Vorstandsvorsitzende von „Arla Foods“ Peder Tuborgh gelassen.

Tausende Milchbetriebe mussten in den letzten Jahren aufgegeben. Martin Häusling, Milchbauer und Abgeordneter des Europaparlaments spricht von einer „Kannibalisierung des Sektors“. „Wir sind dabei uns wegzurationalisieren“. Kühe sind dabei nur ein Produktionsfaktor. Ohne jährliches Kalb sind sie wertlos, denn sie geben nur dann Milch, wenn sie auch gebären. Maximal fünf Jahre geht das gut, danach müssen die ausgezehrten Turbokühe zum Schlachthof. Eigentlich können Milchkühe zwanzig Jahre alt werden. Männliche Kälber sind dabei sowieso ein „Nullgeschäft“, denn zur Mast eignen sich die auf Milchproduktion gezüchteten Kälber meist nicht. Mit etwas Glück holt ein Mäster die Bullenkälber für 50 bis 70 Euro ab. Auch Weidegang ist in dem auf Wachstum gedrilltem System nicht vorgesehen. Denn ab einem Bestand von über 100 Kühen wird es schwierig, sie täglich auf die Weide zu schicken.

Ein wenig Hoffnung gibt der Film trotz allem. Alexander Agethle, Biobauer aus Südtirol, zeigt wie es anders geht. Er bringt seine Kühe, die auch Namen tragen, täglich selber auf die Weide. Extensive Landwirtschaft heißt sein Modell. Seine Familie kann gut davon leben, denn sie haben ihre Abhängigkeit von der Molkereiindustrie und Weltmarktpreisen weitestgehend beseitigt. Wertschöpfung schaffen sie selber, denn ihre Milch verarbeiten sie auf Ihrem Betrieb zu hochwertigem Käse weiter, den sie regional verkaufen. Für den Weltmarkt möchte der Bauer nicht produzieren, sein Radius bleibt unter 200 Kilometern. Alles andere wäre nicht ökologisch, findet er.

Fazit: Auf jeden Fall sehenswert, entweder im Kino, oder am 21. November auf Arte.

Hier können Sie sich den Trailer zum Film anschauen.

Jasmin Zöllmer

 


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